"Erfolgreiche IT-Unternehmen setzen auf ein skalierendes Geschäftsmodell"
Wie hängen skalierende Geschäftsmodelle und erfolgreiche IT-Unternehmen zusammen? Tobias Wielki, Geschäftsführer Vertec Deutschland, spricht im Interview mit Johannes Rasch, Managing Partner bei SAR – Scaling Champions, über Skalierungseffekte bei IT-Unternehmen, "hidden champions" sowie die Digitalisierung von Geschäftsprozessen.
Tobias Wielki: Vielleicht erzählst du mal ganz kurz, was ihr so macht, wie es dazu kam, dass SAR gegründet wurde und welchem Zweck das Unternehmen dient.
Johannes Rasch: Wir als SAR skalieren IT-Unternehmen. Viele IT-Systemhäuser, Digitalagenturen und IT-Dienstleister tauschen Zeit gegen Geld – kostbare Zeit von raren IT-Mitarbeitern gegen übersichtlich viel Geld. Durch die steigende Vergleichbarkeit können sich viele nur noch über den Preis definieren. Das führt dazu, dass die Margen immer weiter sinken. Viele Unternehmen schaffen es zudem nicht, ihre Wunschkunden zu erreichen und zu überzeugen.
Doch es gibt auch IT-Unternehmen, die wiederholbar und planbar Kunden gewinnen, ein skalierbares Angebot oder Produkt haben und damit Marktführer in ihrem Segment werden, wie ein "hidden champion". Wir nennen diese Unternehmen "scaling champions" und glauben, dass ihnen die Zukunft gehört. Sie werden zum entscheidenden Treiber der Digitalisierung und damit zum Rückgrat der neuen Wirtschaft.
Unser Fokus liegt ganz klar auf der Skalierung von IT-Unternehmen. Jährlich begleiten wir etwa 70 Kunden auf diesem Weg und arbeiten sehr persönlich und eng für mindestens sechs Monate mit ihnen zusammen. Workshops und Coachings sowie der gegenseitige Austausch innerhalb der "Scaling Champions Community" führen zu spürbaren Ergebnissen und gemeinsamen Wachstum.
Tobias Wielki: Warum sollte ich als IT Unternehmen nicht weitermachen wie bisher? Wieso soll ich meine Prozesse und mich überdenken, skalieren oder eine grössere Marge anstreben?
Johannes Rasch: Ein Unternehmen sollte ein Ziel haben: Es sollte seinem Wunschkunden Nutzen stiften – heute und in der Zukunft. Um dauerhaft an der Nutzen-Maximierung für den Kunden zu arbeiten, braucht es Expeditionen, Visionen und strategische Arbeit. Die Basis dafür bilden hohe Margen. Sie schaffen Freiräume und Handlungsspielraum für die Weiterentwicklung von Lösungen und Angeboten. Skalierung und grössere Margen sind also kein Selbstzweck, sondern dienen dazu, einen immer höheren Nutzen zu erzeugen.
Erfolgreiche IT-Unternehmen arbeiten daran, mit einem skalierenden Geschäftsmodell die Nummer eins in ihrem Markt zu werden. Im Optimalfall erwirtschaften sie so überdurchschnittliche Gewinne, Margen sowie einen höheren Kundennutzen.
Unsere Podcastfolge Nummer 19 dreht sich genau um dieses Thema.
Tobias Wielki: Wenn wir uns mal ein Unternehmen wie Vertec vorstellen, wie würdet ihr denn konkret vorgehen, um Skalierungseffekte zu erreichen?
Johannes Rasch: Vertec ist als Unternehmen bereits in vielen Aspekten gut aufgestellt. Es gibt einen grundsätzlichen Denkfehler, der die Initiativen zur Skalierung häufig in einer Sackgasse enden lässt. Viele Unternehmen fangen an das perfekte Angebot oder Produkt zu entwickeln, das dauert oft Monate oder Jahre und am Ende muss das Ganze "nur noch verkauft werden". Viele erreichen diesen Punkt aber nie oder merken dann viel zu spät, dass die Zielgruppe etwas ganz anderes gebraucht hätte oder der Wunschpreis nicht passt. Das ist der Hauptgrund, aus dem Skalierungen scheitern.
Bei uns baut sich die Skalierung eines Kunden vierstufig auf:
1. Klare Wunschkunden und Positionierung
Ermittlung der klaren Wunschkundengruppe über strukturierte Gespräche mit Kunden und Leads. Alleinstellungsmerkmale sowie die Positionierung werden darauf passgenau abgestimmt. Dabei folgen wir einem klaren Prinzip: "Lieber der Erste im Dorf als der Zweite in der Stadt." Das heisst, zuerst die Nummer eins in einem kleineren Zielmarkt werden und dann Stück für Stück expandieren.
2. Planbare Kundengewinnung
Aufbau von wiederholbaren Kanälen wie Webinaren, Vorträgen bei Partnern und Whitepaper, um skalierbar neue Kunden zu erreichen und als Interessenten zu gewinnen. Und zwar ohne Kaltakquise oder Marketingagentur. Viele unserer Kunden gewinnen pro Monat mehr als 30 Leads von B2B-Entscheidern.
3. Wiederholbarer Salesprozess
Klare (Vor-)Formate wie Workshops, Webinare oder Demo-Sessions und Skripte zur Gewinnung und dem Onboarding neuer Kunden. So wird die Zeit des Sales Cycles deutlich reduziert.
4. Skalierbare Produkte und Lösungen
Entwicklung einer wiederholbaren Kundenreise mit skalierbaren Lösungen und Services. Dabei liegt ein grosser Hebel im Pricing der Lösungen. Statt sich den Zeitaufwand vergüten zu lassen, erarbeiten wir konsequent eine Preisstrategie, die sich an dem Kundennutzen orientiert. Dadurch wird einerseits der Wert für den Kunden stetig erhöht, andererseits entstehen Gewinne durch die Mehrfachnutzung von Lösungen.
Tobias Wielki: Als Reaktion auf die fortschreitende Digitalisierung erlebt ihr sicher auch, dass Unternehmen eine digitale Strategie im Kopf haben oder konkret umsetzen wollen. Wie sind da eure Erfahrungen?
Johannes Rasch: In der IT-Branche erleben wir genau das, was aus unserer Sicht in den nächsten Jahren auch in anderen Branchen passieren muss. Es gibt in einem Tech-Unternehmen kein Denken in digitalen Strategien. Digitale Lösungen und Systeme werden irgendwann zur DNA, zum selbstverständlichen Werkzeug, um Prozesse effizienter zu gestalten, Interaktionen mit Kunden radikal anders zu denken und neue Geschäftsmodelle zu erschliessen. "Digital" ist ein Werkzeug, die eigenen Strategien umzusetzen – nicht mehr und nicht weniger. Wenn man das Thema erschliesst, ist es sicher sinnvoll, mit einer Digitalstrategie zu starten. Mittelfristig sollte diese jedoch übergehen in die gesamte Unternehmensstrategie.
Tobias Wielki: Ist eine Skalierung/Strategie ohne die Digitalisierung von Geschäftsprozessen denkbar bzw. sinnvoll?
Johannes Rasch: Nein, definitiv nicht. Wirkliche Skalierungseffekte entstehen immer nur, wenn man die Prozesse end-2-end betrachtet und skalierbar aufstellt. Das gilt sowohl für die Kundengewinnung als auch für die Leistungserbringung. Wir beobachten häufig, dass viele Unternehmen nicht damit beginnen, ihre Prozesse zu standardisieren und zu digitalisieren. Ihr Portfolio gleicht oft einem Bauchladen, es entstehen ständig neue Lösungen. Die Komplexität steigt immer weiter an. Der Skalierungseffekt liegt vor allem darin, einen klaren Fokus zu setzen, Dinge mehrfach zu tun und dann zu automatisieren.
Tobias Wielki: Ist das bei euren Kunden Standard oder eher ein Randthema?
Johannes Rasch: Digitale Geschäftsprozesse gewinnen in IT-Unternehmen immer mehr an Bedeutung. Unsere Kunden entwickeln in der Zeit, in der sie mit uns arbeiten, skalierbare Produkte oder Services, ziehen wiederholbar neue Kunden an und überzeugen sie mit einem klaren Prozess. Das ist das Fundament der Skalierung.
Im nächsten Schritt geht es darum weiter aufzudrehen. Jedoch nicht einfach mit mehr Personal. Das wäre ja dasselbe Muster, welches man jetzt anwendet. Der richtige Weg ist es, die Prozesse effizienter zu gestalten und zu automatisieren. Dabei gibt es Klassiker, bei denen sofort ein Effekt spürbar ist: Modulare Angebotsvorlagen, automatisierte Mails, automatisches Onboarding von Kunden, Trainings über Videos oder Online-Gruppen-Calls. Wir schauen uns nicht nur den Geschäftsprozess der Wunschkunden unserer Kunden an, sondern auch den internen Abwicklungsprozess.
Tobias Wielki: Welche Rolle spielt dabei die Digitalisierung von Geschäftsprozessen?
Johannes Rasch: Bis zu einer gewissen Grösse mag das alles gehen mit 100 verschiedenen Systemen und Excel-Listen. Aber spätestens wenn die Skalierung wirklich einsetzt, braucht es eine solide Infrastruktur. Ein gutes Beispiel dafür sind integrierte CRM- und ERP-Systeme. Sie bilden den kompletten Sales Cycle ohne Datenredundanzen ab und können wiederkehrende Geschäftsprozesse wie zum Beispiel die Rechnungsstellung automatisieren.
Ein weiteres Beispiel ist einer unserer Kunden, der früher jedes Angebot in Word geschrieben hat, zum Teil stundenlang. Heute werden die Kundendaten im CRM zentral aufgenommen, wenn der Kunde sich für ein kostenfreies Webinar anmeldet. Die Informationen werden über den Salesprozess angereichert, so wird dann mit wenigen Klicks ein individuelles Angebot aus Leistungspaketen zusammengestellt. Das spart allen Beteiligten viel Zeit und hilft dem Vertrieb sich auf die Vertiefung der Kundenbeziehungen und gleichzeitig die Gewinnung neuer Kunden zu konzentrieren. Das ist dann echte Skalierung.
Tobias Wielki: Vielen Dank für den spannenden Austausch.